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 pressespiegel  
 
Berliner Zeitung, Samstag 10.5.2003, von CARMEN BÖKER

Diese ewig unterbrochenen Gedanken
Eine Ausstellung zeigt K¸nstlerinnen, die auch M¸tter sind.

Ein Bildschirm zeigt eine Frauenhand, die hastig Entw¸rfe skizziert. Ute Weiss-Leder will am Wettbewerb f¸r ein Rosa-Luxemburg-Denkmal teilnehmen, doch das gestaltet sich schwierig, obwohl sie in ihrer Installation das Laufst”llchen mit einer Arbeitsplatte abdeckt: Ihr Kind, das durch einen zweiten Monitor zu sehen ist, schlummert darauf zwar friedlich. Aber das ist eben nicht die Regel; immer wieder landen benutzte Windeln auf den Papierb–gen, immer wieder werden jene danach genervt zerkn¸llt. Vor die lichte Vision schiebt sich wie eine Gewitterwolke der Alltag.

Mit diesen "ewig unterbrochenen Gedanken" - wie es Caroline Weihrauch nennt - wird die Doppelrolle Mutter und K¸nstlerin zu einem m¸hseligen Experiment. Der in Berlin lebenden Weihrauch wurde von ihren konkurrenzbewussten Kolleginnen gar suggeriert, dass die beiden Berufungen unvereinbar miteinander seien (analog zum unverw¸stlichen Klischee vom autonomen Genie, das nur f¸r seine Kunst lebt und kein sozial agierendes Wesen ist). Als sie schwanger wurde, bekam sie ein Handtuch geschenkt, auf dem in lieber Schreibschrift "Sch–n, wieder eine weniger!" aufgestickt war. Sie hat es mitgenommen ins K¸nstlerhaus Bethanien, wo an diesem Sonntag die von Signe Theill kuratierte Gruppenausstellung "doublebind. Kunst - Kinder - Karriere" er–ffnet wird; mit 27 K¸nstlerinnenm¸ttern mehrerer Generationen, als deren Veteraninnen der 70er-Jahre hier Valie Export, Rune Mields und Jenny Holzer z”hlen m¸ssen.

Und Caroline Weihrauch kann neben ihren in Pastell schwelgenden Kinderspielzeug-Bildern noch ein weiteres unglaubliches Fundst¸ck pr”sentieren: einen Werbespot, der im letzten Jahr bei Radio Paradiso zu h–ren war. "Wir geben der Hauptstadt, was sie am n–tigsten braucht", t–nt es darin wie aus schlimmsten deutschen Zeiten. Das Ziel der Kampagne war n”mlich: tausend neue Babys f¸r Berlin. Und damit sich das auch f¸r die Mutter lohnte, wurde ihr als Geb”rpr”mie ein Kindergartenplatz zugesichert.

Da vermag man nur resigniert den Kopf zu sch¸tteln. Und in dieser vielleicht falschen, aber angesichts so bleierner Rollenmodelle auch verst”ndlichen Mattigkeit nimmt man als Besucher exakt die Haltung ein, die viele der beteiligten K¸nstlerinnen sowieso innehaben. Judith Samen hat sich selbst fotografiert - in Kittelsch¸rze, den nackten Sohn unter den Arm geklemmt, die freie Hand subversiv am Brotmesser; Niki de St. Phalle macht den rhetorischen Seufzer "Wie kann man an einem Tag genug Zeit finden?" (wenn man vier Stunden mit den Kindern spielen, zwei Stunden Tantra-Sex haben m–chte und auch noch jobben gehen muss) zum immerhin heiter gezeichneten Brief; Eva Bertram hat ein Triptychon von heute fotografiert - mit einer Dreifaltigkeit aus m¸rrischer, m¸der Mutter, Kind auf Spielplatz und alerter Groþmutter an der Rutsche. Und die New-Yorkerin Aura Rosenberg empfiehlt in fingierten Zeitungsartikeln: Wenn dich dein Kind nervt, dann mach es doch einfach zum Objekt deiner Kunst.

Denn wenn sich eine Frau nicht aus der Familie heraushalten kann, dann nimmt sie eben die Kinder mit in ihren k¸nstlerischen Kontext - das ist die leicht breiige Generalthese von "doublebind". Ansonsten werden die Verh”ltnisse hier eher hingenommen, nicht angegriffen.



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